Arbeitsmarkt Schweiz 2014: ein Ausblick
Nein, ich habe mich nicht in die Elisabeth Teissier des Schweizer Recruitings verwandelt. Auch wenn ich bereits mehrfach zur Zukunft desselben befragt wurde (z.Bsp. im Blog von HR-Blog-Award-Nominee Jörg Buckmann oder Multimediacampus). Es soll auch kein weiterer Artikel mit allseits sattsam bekannten Fachterminologien werden. Der Zyniker in mir würde sich ohnehin zu Wort melden und raunen, dass sich nichts verändern wird in 2014. Viel zu gross scheint die Diskrepanz zwischen Innovationskraft verschiedener Schweizer Firmen im HR-Umfeld und dem aktiven Angehen dieser neuen spannenden Möglichkeiten auf Personalabteilungsseite. Mehr dazu aber später. Was also wird uns nächstes Jahr bewegen?
Betrachten wir den Arbeitsmarkt also mal etwas ganzheitlicher:
Politisches Umfeld
Nachdem mit der „Minder-Initiative“ und der weltweit beachteten „1:12-Initiative“ bereits in 2013 wichtige arbeitsmarktrelevante Themen vom Volk beurteilt wurden (erstere angenommen, zweitere abgelehnt), geht es beinahe nahtlos weiter. Bereits am 9. Februar 2014 stimmen wir über die „Masseneinwanderungs-Initiative“ ab. Was derart bedrohend und gefährlich klingt, ist in Tat und Wahrheit nichts anderes als der Versuch, mittels Kontingenten die Zuwanderung Richtung Schweiz zu kontrollieren. Dies wiederum widerspricht der Personenfreizügigkeit und den mit der EU ausgehandelten Bilateralen Verträgen. Logisch hat die Wirtschaftsseite – vereint und angeführt von der Economie Suisse – daran keine Freude und prognostiziert ökonomische Schreckensszenarien inkl. dem Auszug vieler internationaler Grossfirmen mit Hauptsitz in der Schweiz. Schliesslich haben viele Unternehmen bereits heute mühe, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden (Ups – Phrasendrescherei: „Fachkräftemangel“). Dem kann man nicht viel entgegenhalten, ausser, dass sowohl Strassen wie auch Öffentliche Verkehrsmittel an Kapazitätsobergrenzen knabbern. Und das ist ein die Bevölkerung durchaus belastender, weil spürbarer Faktor. Zu quantitativen Einwanderungsthemen wird auch noch separat in der Eco Pop Initiative abgestimmt werden. Spannend wäre es zu wissen, ob aus Mangel an verfügbaren externen Alternativen nicht mehr in die nachhaltige Entwicklung bestehender Mitarbeiter investiert würde, als einfach nicht verfügbare Ressourcen jederzeit irgendwoher zu importieren. Da dies aber kein virtuelles Game, sondern volkswirtschaftlich relevante Entscheide sind, wird es wohl (und hoffentlich!) nicht zu Experimenten mit ungewissem Ausgang kommen. Vielleicht kommen auch noch andere Köpfe zur Erkenntnis, dass unser Wohlfahrtsstaat ohne Immigration so gar nicht bestehen könnte…
Zudem wird erneut über einen lohnrelevanten Sachverhalt abgestimmt. Mit der „Mindestlohn Initiative“ („4000.- für alle!“) dürfen wir erneut salärtechnische Inhalte beurteilen. Was unsere deutschen Kollegen gerade im Koalitionsvertrag besiegelt haben (€ 8.50 Mindestlohn ab 2015, in der Schweiz sind CHF 22.- gefordert), wäre für uns Neuland. Gerade erst haben die hiesigen Ableger der deutschen Detailhandelsriesen Lidl (4000.- bei 100% Anstellungsverhältnis, das aber faktisch kaum möglich ist…) und Aldi (CHF 4’200 bis 4’700.- je nach Kanton) mit Salären auch für ungelernte Arbeitskräfte für ziemlich Furore gesorgt und damit Druck auf den Markt insgesamt ausgeübt. Müssen wir dies nun in Gesetzbüchern staatlich regeln? Oder soll der Markt spielen? Es entscheide jede/r für sich selbst… sicher ist: der Diskurs zum Thema Lohn ist grundsätzlich ein wichtiger. Die Enttabuisierung findet immer weiter statt und das ist gut so.
Das psychologische Umfeld
Was mich immer wieder – und das seit Jahren – gleichermassen erstaunt und betrübt, ist die scheinbar nie enden wollende Flut offener Stellen. Wie der Adecco Index regelmässig Rekordwerte ausspuckt, stimmt nicht mit meiner subjektiven Wahrnehmung des hiesigen Arbeitsmarktes überein. Die Sorge vor Arbeitsplatzverlust führt die „Hitparade“ des Schweizer Sorgenbarometers an. Dies, obwohl die Arbeitslosigkeit numerisch extrem tief ist (3.2%). Das BIP wächst nicht rasant, aber kontinuierlich. Was stimmt hier nicht? Bildet die Schweiz tatsächlich derart offensichtlich zu wenig Fachkräfte aus? Gibt es tatsächlich fast nur noch Stellen für heldenhafte Superspezialisten? Sind die Anforderungen unverhältnismässig? Müssen wir einfach mehr Babies produzieren? Liegt es an den immer noch nicht genügend vorhandenen Krippenplätzen respektive der (Re-) Integration von Frauen in die Arbeitswelt? Sind diese offenen Stellen überhaupt alle echt (ca. die Hälfte dieser Stellen werden von Personalvermittlern ausgeschrieben)? Was geschieht eigentlich mit dem Gros der Arbeitskräfte, die weder über Master, Bachelor oder sonstige Executive Titel verfügen? Ich glaube kaum, dass es eine wahrnehmbare Verbesserung des arbeitsmarkttechnischen Psychoklimas in der Schweiz in 2014 geben wird. Entsprechend wird es spannend sein, welche politische Konsequenzen dies haben wird…
Das technologische Umfeld
Wenn wir es schon von Diskrepanzen haben… ich möchte hier einmal eine Lanze für die Schweizer Innovationsbereitschaft auf Anbieterseite im HR-Umfeld brechen! Mit Silp, Recomy, Eqipia, Buddybroker und Talentory (Aufzählung nicht abschliessend) verfügen wir über eine Dichte an innovativen IT getriebener HR-Dienstleistungen, die ihresgleichen sucht! Auch wenn das für Recruiter nicht nur Vorteile hat, wie ich hier berichtete. Wenn doch nur HR-Führungskräfte etwas von dieser Risikobereitschaft und Freude am Ausprobieren übernähmen und in ihr Recruiting einfliessen lassen würden. Wagt, ändert und gewinnt! Solange aber nicht einmal Xing als digitale Vernetzungsplattform genutzt wird… aber lassen wir das. Ich verfolge die Entwicklung mit Argusaugen und werde sicher auch nächstes Jahr darüber berichten.
Zuversichtich stimmt mich, dass es ein paar wenige Innovatoren gibt, die mit gutem Beispiel vorangehen. Wer sich die integralen Arbeitgeber-Auftritte z.Bsp. der Baloise Versicherung und der Swisscom genauer anschaut, erkennt, dass, wenn man die Zeichen der Zeit erkannt hat, strategisch befähigt wird und etwas Geld in die Hand nimmt, durchaus viel bewegen kann. Und wer die Schweizer kennt, weiss bekanntlich, dass, wenn der Bann erst mal gebrochen ist, weitere folgen werden… und darauf freue ich mich!
In diesem Sinne: auf ein prosperierendes und spannendes 2014! Im Recruiting, aber auch darüber hinaus…
Pingback: Trends und Vorsätze. Die geballte Linkparade zum Jahresstart | Systematisch KaffeetrinkenSystematisch Kaffeetrinken
Pingback: Employer Branding mit Automatik: Von der Strahlkraft starker Produktmarken. | buckmannbloggt.