Kann man den Cultural Fit messen?
Interview mit Dr. Paula Thieme, Leiterin Akademie DEBA (Deutsche Employer Branding Akademie)
„Culture eats strategy for breakfast“ wusste Management-Guru Peter Drucker schon lange. Entsprechend oft findet sich dieses Zitat wieder in Strategie-Diskussionen und Business-Symposien. Und doch wird Kultur innerbetrieblich eher selten bewusst gepflegt. Mir sind im Verlaufe meiner Karriere und Marktbeobachtungen kaum je Jobtitel wie „Head of Company Culture“ oder „Chief Culture Architect“ begegnet. Kultur entsteht und entwickelt sich weiter als nie endender Prozess. Und wird geprägt von vielen Façetten. Zum Teil bewusst gesteuert, oftmals aber das Ergebnis nicht geplanter Vorgänge. Gemeinhin landet Firmenkultur als weiteres zu prägendes Arbeitspaket auf dem überladenen Tisch der HR-Verantwortlichen.
Und doch wissen wir und lernen es aus diversen Berichten und Studien (z.Bsp. diese von meta HR ): die Firmenkultur ist eines der wichtigsten Elemente, wenn es um Bindung von Mitarbeitenden und Förderung von Identifikation zum Unternehmen geht. Und nicht zuletzt auch um Passung von Kandidaten.
Schön, dass es nun ein Tool* gibt, das Kulturparameter erfassen kann und damit z.Bsp. im Recruitingprozess Nutzen stiftet. Dazu habe ich eine ganze Menge Fragen, die ich der an der Entwicklung mitbeteiligten Leiterin Akademie der DEBA, Dr. Paula Thieme, gestellt habe.
1. Paula: mit dem Cultural Fit Evalueator habt ihr eine softwarebasierte Methode zur Erfassung kultureller Eigenschaften entwickelt. Kannst du meinen Lesern erklären, wie man Kultur erfassen und messen kann?
Es gibt verschiedene Modelle zur Unternehmenskulturmessung in der Forschung. Die Herausforderung, die wir für die Messung des Cultural Fit meistern mussten, lag darin, ein Kulturmessinstrument zusammenzustellen, das sowohl auf eine Organisation wie auch auf einen Kandidaten zuverlässig anwendbar ist. Hierfür kombinieren wir Ansätze aus der Persönlichkeitsforschung mit solchen aus der klassischen Kulturmessung. Wir analysieren zudem auf der Werteebene, das ist langfristig stabiler als Verhalten und gibt besser Aufschluss darüber, welche Verhaltenseinstellung eine Unternehmung bzw. ein Individuum grundsätzlich aufweist. Werte prägen die kulturelle Passung zwischen Mitarbeiter und Organisation am meisten. Sie sind die Treiber von (Unternehmens-) Kultur und das Leitbild für gelebte Normen wie bspw. Gemeinschaft, Tradition und Innovation und letztendlich auch Verhalten.
2. Kultur wird geprägt durch eine Vielzahl unterschiedlichster Aspekte. Dabei sind ungeschriebene Gesetze genau so wichtig wie z.Bsp. Führungsleitlinien oder Billiardtische im Aufenthaltsraum. Wie werdet ihr diesem grossen Spektrum gerecht?
Diese Ausprägungen von Kultur ergeben sich aus bestimmten, Ihnen zugrundeliegenden Wertehaltungen und Einstellungen der Organisation. Anstatt all diese Artefakte aufzunehmen – was sehr umfangreich wäre, widmen wir uns dem eigentlichem Antrieb dahinter: den Wertepräferenzen der Organisation. Umgekehrt ist es übrigens genauso: statt das konkrete Bewerberverhalten zu analysieren, ermitteln wir die Wertepräferenzen – also eine Triebfeder des Verhaltens.
3. Was hat Employer Branding mit kultureller Passung zu tun?
Beim Employer Branding geht es darum, die Identität des Arbeitgebers zu ermitteln und nach innen und außen zu kommunizieren und vorzuleben. Damit wird ein Identifikationsangebot und eine klare Aussage gemacht, wer zu dem Unternehmen passt und wer eben auch nicht – die Voraussetzung, um dann den Cultural Fit zu messen.
4. Eine der Einsatzmöglichkeiten des Cultural Fit Evalueators ist es, die kulturelle Passung von Kandidaten im Recruitingprozess zu prüfen. Weshalb ist dies sinnvoll?
Die hohe kulturelle Passung erleichtert das Onboarding neuer Mitarbeiter enorm. Studien belegen, dass Menschen, die sich mit der Unternehmenskultur gut identifizieren können, eine höhere Leistungsbereitschaft und Verweildauer aufweisen und damit den Unternehmenserfolg dauerhaft positiv beeinflussen. Aber auch Aspekte wie geringere Reibungsverluste und ein besserer Teamzusammenhalt stehen im Vordergrund.
5. Ist es denn ratsam, eine möglichst homogene Unternehmenskultur zu erreichen? Erzeugen nicht gerade auch Unterschiede wichtige Spannungsfelder, die innovationsfördernd sein können?
Fachliche und persönliche Unterschiede bereichern das Unternehmen auf vielfältige Weise, auch in der Innovationsfähigkeit. Es gibt zahlreiche Studien, die das belegen. Dennoch prägt ein grundlegend gemeinsames Werteverständnis die Identität der Organisation und sorgt für ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Das verstärkt die Bindung an und die Identifikation mit dem Arbeitgeber. Vielfalt auf der persönlichen und aufgabenbezogenen Ebene und ein übergeordnetes, gemeinsames Werteverständnis lassen sich für Mensch und Organisation gewinnbringend verbinden.
6. Welche anderen Anwendungsbereiche siehst du noch?
Der Cultural Fit ist nicht nur ein wichtiges Auswahlkriterium bei neuen Mitarbeitern. Auch bei Change-Prozessen ist er ein entscheidender Kompass, der die Information für den vielleicht wichtigsten Treiber erfolgreicher Change-Prozesse bereitstellt: den Umgang mit kulturellen Veränderungen im Unternehmen.
Wer Lust hat hat, mehr zum Thema zu erfahren kann sich gerne kostenlos bei mir für das Webinar „So einfach geht Cultural Fit Recruiting“ anmelden
Liebe Paula, vielen Dank für das Gespräch. Und viel Erfolg mit dem Cultural Fit Evalueator!
Interessensverbindung: als Direktor Schweiz der DEBA bin ich nicht neutral. Ich interessiere mich schon lange für Firmenkultur und freue mich umso mehr, dass die DEBA eine Lösung mitentworfen hat, die ich als spannend und sinnvoll erachte. Gerne dürfen Sie sich mit Fragen direkt an mich wenden.
*Der CulturalFitEvalueator wurde von der DEBA und meta HR Unternehmensberatung konzipiert und von Ingentis Softwareentwicklung realisiert.
Interessanter Beitrag. Der Cultural Fit ist schon auch ein wichtiges Auswahlkriterium bei neuen Mitarbeitern. Wenn Grundwerte, Menschenbilder, Kommunikationskompetenzen und mehr nicht stimmen, vermag jede noch so gute Schulung und Unternehmenskultur nichts auszurichten.