Karriere: plant man das?
Titelbild: «Festschrift Kantonsschule Wiedikon»
Mein ganz persönlicher Rückblick auf eine…hmmm… vermutlich eher ungewöhnliche «Karriere». Der nachfolgende Text erschien im Original in der Festschrift der Kantonsschule Wiedikon anlässlich ihres 50jährigen Bestehens. Als Ehemaliger war ich erkoren, einen Beitrag zu schreiben. Diesen Text möchte ich gerne auch anderen Interessierten verfügbar machen.
************************************************
Ehemalige berichten: Michel Ganouchi
Und wie ich mich gefreut habe, als ich erfuhr, dass ich einen Text zum Besten geben darf für die Festschrift der Kanti Wiedikon. Immerhin habe ich dort einen der wohl prägendsten Lebensabschnitte überhaupt verbracht. Und wie wohl üblich, ist man sich dessen gar nicht bewusst, wenn man mitten drin steckt.
Der Anfang
Klar, mein Weg ist vermutlich eher ungewöhnlich. Und wohl gerade deshalb interessant für Schüler, Ehemalige und andere Interessierte, die Inspiration und Orientierung suchen oder ganz einfach lesen möchten, wie es eben auch funktionieren kann. Schliesslich führte mein beruflicher Weg nicht über Hörsäle, sondern – zumindest zu Beginn – über Übungsräume, Bühnen, Hollywood und Plattenläden. Eines war für mich klar nach der gerade mal knapp bestandenen Matura und den ersten paar wenigen Gastbesuchen an der Uni: da schlägt’s mich nicht hin. Zu stark war dieser Drang, mich als Gitarrist der Welt zu beweisen. Die Musik war stärker als der Ausblick, mich erneut mit Inhalten zu beschäftigen, die mir nicht wichtig genug waren. Zumindest zu diesem Zeitpunkt. Was lag da näher, als den schlecht bezahlten Weg des Plattenverkäufers zu gehen, um mir ein Auslandstudium in Los Angeles zu finanzieren. Wo ich leben lernte und erst noch meine Gitarrentechnik verfeinern konnte. Es war mir durchaus bewusst, dass es nicht einfach werden würde, mir davon mein Leben zu finanzieren. Doch genauso egal war es mir.
Gitarre, Musikbusiness, Weiterbildung
Und so kam es auch: nach dem Auslandjahr fasste ich erneut Fuss als Teilzeit-Plattenverkäufer und Privat-Gitarrenlehrer. Ohne Geld und wenig Perspektive, wieder daheim wohnend. Das konnte es auf Dauer schon nicht sein. Ich war Realist genug, meine Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Und da in der Musik – so ganz anders als im Sport – nicht zwingend der Beste seinen Weg macht, beschloss ich, mich neu auszurichten. Ich war ja immerhin schon 24 Jahre alt. Da mir das Didaktische des Lehrens gefiel, meldete ich mich fürs SPG an. Die Grundausbildung zum Lehrberuf. Da kam mir dieser Job dazwischen, der wohl die Weichen grundlegend gestellt hat: ich konnte für eine internationale Plattenfirma die Medienarbeit für Stars und Sternchen wie auch für Nobodys übernehmen. Drei Jahre erneutes Studium versus Backstage Pässe, Journalistenkontakte und überall dabei sein, wo die Musik spielt. Im wahrsten Sinn des Wortes. Ihr versteht, dass ich nicht allzu lange gezögert habe. Dieser Abschnitt dauerte dann doch 7 Jahre. Erster Karriereschritt und nebenberufliche Weiterbildung inklusive. Weil ich merkte, dass ich mich „nur“ mit Matura und Berufserfahrung, aber ohne Studium und Weiterbildung selber limitieren würde, drückte ich mit knapp 30 Jahren wieder die Schulbank. Und stellte fest, dass mein Gehirn nun ganz anders auf äussere Einflüsse reagierte. Lernen machte plötzlich Spass! Nicht, dass ich das Gymnasium nicht schätzte. Im Gegenteil: es war eine herausragende Zeit.
New Economy, Uni, Karriere
Um die Jahrtausendwende war Schluss mit dem Musikbusiness. Die Wirtschaft boomte, die „New Economy“ entstand.
Marketingfachleute waren gesucht. So landete ich in der Software Welt als Marketingmensch. Und irgendwie war das auch Rock-n-Roll…
Von der Software ging’s in die Telekommunikation, nächste Karriereschritte inklusive. Nicht, weil ich das zwingend wollte. Ich hatte nie eine Karriereplanung. Sondern wohl eher darum, weil ich das, was ich tat, mit Leidenschaft und Einsatz voranbringen wollte. Arbeitgeber scheinen das zu schätzen. Da auch mein Wissensdurst noch nicht gestillt war, landete ich sogar noch an der Uni. Immerhin ein Nachdiplomstudium mit wohlklingendem Titel. Fast wie echt. Wer hätte das gedacht, damals Ende 80er Jahre…
Nachdem ich also neue Marken mitentwickelt, eingeführt und betreut hatte, nachdem ich unheimlich viel über die Geschäftswelt auf verschiedenen Stufen gelernt und Führungserfahrungen gesammelt hatte, von Restrukturierungen und vielen Chefwechseln betroffen gewesen war, verlagerte sich mein Geschäftsfeld erneut. So wurde ich Marketingleiter und später Geschäftsführer der Schweizer Niederlassung einer global agierenden und börsenkotierten Internetfirma im Jobmarkt. Klingt cool. War es oft auch. Erneut konnte ich lernen und mich einbringen, so gut es eben ging. Die Gesamtverantwortung einer Ländergesellschaft zu tragen, machte mich stolz, ohne mir irgendetwas darauf einzubilden. Eine Restrukturierungswelle fegte dann auch meinen Job davon. Das kann’s geben und war strategisch auch nicht falsch. Man wird fatalistisch mit all den Berufserfahrungen und -erlebnissen. Selbst wenn man selber betroffen ist.
Die Summe der Erkenntnisse
Ich bin jetzt seit knapp zweieinhalb Jahren selbständiger Unternehmensberater. Endlich wusste ich, was ich kann, um mich selber einzubringen. Nur für mich und niemand anderen. Und das nicht auf der Gitarre, sondern mit der Summe der im Verlauf der Jahre erlangten Kompetenzen. Ich merkte, dass ich mir ein Wissen angeeignet hatte, das es nicht allzu oft gibt. Und da kam er wieder: der Rock-n-Roll. No Risk – No Fun! Natürlich kenne ich Businesspläne und Strategien. Ich hatte auch genügend Kapital, vorerst ohne Einkommen überleben zu können. Ich hatte kaum Verbindlichkeiten, darum lag der Schritt zur Selbständigkeit nahe. Ein neues Kapitel, ein nächster Schritt, erneutes Lernen.
Es ist erfüllend, lehrreich und manchmal nervenaufreibend. Existenzfragen habe ich mir schon lange – nein, eigentlich noch nie – gestellt. In diesem neuen Kapitel immer wieder. Ohne Aufträge oder Mandate zu starten war riskant. Und sich von doch einigen der lieb gewonnenen Annehmlichkeiten, die beruflicher Erfolg mit sich bringt, zu trennen, ist so erfüllend, wie manchmal bedauerlich.
Ich zahle mir kaum mehr Geld aus, als das ich damals als Plattenverkäufer vor über 20 Jahren verdiente. Der Rest bleibt in der Firma. Aber ich würde es wieder tun. Um des Lernens und der Erfahrung willen. Ganz abgesehen davon, dass die Rädchen nun ineinandergreifen und Erfolge zu feiern sind. So dass ich zuversichtlich nach vorne schaue. Und manchmal – eher selten – greife ich auch noch zur Gitarre. Und spiele diese alten Rockriffs, die mir immer noch so viel bedeuten. Und denke an die Mixed Tapes voller Rocksongs, die ich mit dem jetzigen Prorektor ausgetauscht habe…
Michel Ganouchi, 1969, Matura 1988, Typus B
Werdegang: Plattenverkäufer, Gitarrist, Promotion Manager, MarketingKommunikations Manager, Marketingleiter, Geschäftsführer, Inhaber einer Beratungs GmbH
Prägendste Erinnerung an die KWI: Der betörende Klang einer Rockgitarre während des Soundchecks einer Schülerband für das Hausfest, der mich inspiriert hat, selber in die Saiten zu langen…
************************************************
Und genau sowas hat mich nachhaltig geprägt. Echt jetzt. 🙂