truZurich: Was HR von Marketing lernen kann. Und umgekehrt.
Dies war der Titel des Tracks, den ich zusammen mit Hervé Peitrequin, Senior Digital Marketing Manager bei der Publigroup,an der #truZurich leiten durfte. Spannend war nur schon die Entstehungsgeschichte (nachzulesen hier).
Was nach HR-Bashing hätte klingen können, wurde zum Glück keines. Kein Zeigefinger und „ich weiss viel besser wie’s geht“. Schliesslich predige ich, wo immer ich kann, die Kommunikation auf Augenhöhe. Ich habe ja auch keine eigentliche HR-Ausbildung. „Was erlauben Ganouchi?“ würde Trappatoni also vermelden. Und ich entgegne: „Erlauben? Alles. Aber beobachtend. Erkennend. Hinterfragend. Und freigeistig interpretierend.“
Jeder, der führt, macht irgendwie HR, nicht? Selbst als Nicht-Chef/-Manager oder -Teamleiter macht man HR. Führungskräfte sowieso. Man beurteilt neue Mitarbeiter, gibt Feedbacks, ist in Quali-Gespräche involviert, interagiert im Team und darüber hinaus. Man hat eine Rolle in diesem HR-Oekosystem, ob man will oder nicht. Man ist Teil der Unternehmenskultur mit mehr oder weniger prägender Rolle. Versteht das liebe Mitarbeiter, die nicht im HR arbeiten. Denn es ist wichtig. Und da könnt ihr einiges von HR lernen. Aber darum soll es hier nicht gehen.
Zurück zur #truZurich. Da ich vor kurzem erst in Berlin am HRBarcamp teilnehmen durfte – zumindest am zweiten Tag – konnte ich einen direkten Vergleich dieser beiden eher ungewöhnlichen Veranstaltungen ziehen. Ungewöhnlich absolut positiv konnotiert. Mir gefallen Formate, bei denen nicht von vornherein schon klar ist, was einen erwartet. In Berlin das tolle Hotel, die fast 200 Teilnehmenden, die vielen Experten (viele davon hier auf meinem Blogroll), die zahlreich vorhandenen Corporate HR Mitarbeiter, die 4 Räume, in denen gleichzeitig debattiert wurde, die enorme Themenvielfalt.
In Zürich die coole kleine Location (Colab), das internationale Flair mit Englisch als Diskussionssprache (etliche Teilnehmer kamen extra aus Genf oder dem Ausland!), das engagierte Debattieren auf engem Raum. Zwei Tracks parallel in einem offenen Raum waren da teilweise leider etwas suboptimal. Englisch als gemeinsame Sprache festzulegen, macht zwar der Gäste wegen Sinn, hemmt aber doch hie und da den Diskussionsfluss. Nicht alle können einfach mal locker englisch daher parlieren und argumentieren. Zumal viele Diskussionen durchaus angeregt stattfanden und positiv-kontrovers geführt wurden.
In der Vorbereitung zum Track hatte ich mir Stichworte notiert, die ich als Moderator einfliessen lassen wollte. Tja, was kann denn HR nun von Marketing lernen? Da stand also:
- Attitüde: die gesunde Portion „Ego“, die Jörg Buckmann so vortrefflich in seiner „Frechmut“-Definition aufführt. Ein gesundes Selbstbewusstsein, etwas Extrovertiertheit, die Freude am Argumentieren. Sich Gehör verschaffen und für seine Interessen einstehen. Mutig sein und Neues probieren. Auch mal ein Risiko eingehen.
- Leadership: Das Business verstehen, in dem Sie und Ihre Firma sich befinden. Und zwar aus echtem Interesse und durchaus auch mal im Detail. Die Sprache des Managements sprechen, sonst werden Sie nicht ernst genommen.
- Integrale Vorgehensweisen: Herausforderungen sind öfters mal komplex. Lösungen meistens nicht trivial. Wer vernetzt denkt, ist im Vorteil. Und das braucht Übung.
- Marketingtheorie (4-7P, je nach Lust und Laune): Die Grundzüge der Marketingtheorie verstehen. Wenn man von Segmenten, Märkten, Push und Pull, Mediaplanung, Markenführung usw. spricht, muss man mindestens ein Verständnis davon haben. Es hilft, das Recruiting zu professionalisieren.
- Projektleitung/Prozessverständnis: Verantwortung übernehmen, vielleicht auch mal über das angestammte Tätigkeitsgebiet hinaus. Man lernt dabei, kann sich profilieren und das neu gewonnene Wissen später einsetzen.
- Technologie/Innovation: Man muss kein Tekkie, Nerd oder Geek sein. Aber die Welt verändert sich. Und zwar rasant. Gerade auch wegen technologischen Innovationen. Bleiben Sie am Ball. Man muss auch nachfolgende Generationen verstehen.
- Online und Social Media: Niemand erwartet, dass Sie HTML oder PHP programmieren können. Aber was ein Cookie ist, (Re-)Targetting bedeutet, ein Affiliate Programm ist, was „crawlen“ bedeuted (hat nichts mit schwimmen zu tun!) und weshalb Social Media nicht nur ein Trend sind und wie sie funktionieren: ja – dazu sollten sie sich vertiefte Gedanken machen. Ohne wenn und aber. Die Welt wird immer mehr online. Die Kandidaten sowieso. Firmen auch. Das Recruiting gehört dazu.
- Business Cases: Cases anfertigen, um Interessen durch zu bringen. So erhalten Sie im Management Gehör. Richtig aufgebaut, argumentiert und mit Zahlen versehen. Vielleicht auch mit Grafiken. Pflegen Sie Ihre Stakeholders schon vor einer allfälligen Präsentation.
- KPIs: Fragen Sie sich, was Sie messen möchten und warum. Und natürlich auch wie. (Hier gibt’s grad aktuelle Inspiration von MetaHR ). Zahlen zählen. V.a. im Management. Und darüber hinaus ist ein HR-Dashboard einfach unabdingbar für das Management und die Entwicklung seiner Funktion.
- Themen-Führerschaft: Bleiben Sie am Ball! Lesen Sie Bücher, Blogs und gehen Sie an Netzwerk-Veranstaltungen. Und zwar nicht nur die üblichen Branchenveranstaltungen. Profilieren Sie sich als interner Experte, dann wirken Sie glaubwürdig und bringen mehr HR-Gewicht in die Firma.
Da der Track nur eine Stunde und nicht eine Woche dauern sollte, verzichtete ich auf weitere Themen. Auch so waren es schon mehr als genug. Wir kamen bei weitem nicht durch alle 10 Punkte durch.
Das lag dann vor allem auch daran daran, dass der Track vom #truGuru Bill Boormann selber «hijacked» wurde 😉 . Wir verliessen die aufgegleiste Marketing-Schiene bei seinem Erscheinen und diskutierten über andere (wichtige) Innovations-Themen. Spass hat’s auch so gemacht.
Machen den Marketeers alles richtig, alles besser? Nein, natürlich nicht! Wie jede andere Funktion agieren auch Marketing Manager nicht per se vorbildlich. Was ich jedoch immer noch nicht verstehe ist, dass ich eher Marketingmenschen auf Xing und LinkedIn antreffe als Recruiter. Und vermutlich kaum jemals bei einem Afterwork Drink jemanden aus HR kennen gelernt habe. Insgesamt sehe ich die Marketingzunft als tendenziell innovations-offener, kommunikativer und umsetzungswilliger.
Wieso nicken die meisten Personaler bei der Konfrontation mit diesen Themen meistens positiv anerkennend? Können, wollen oder dürfen sie denn diese Themen nicht als Inspiration in ihr Tun miteinbeziehen? Es scheint ganz einfach: Trotz allen Klagen über den Fachkräftemangel und die diversen Herausforderungen als Arbeitgeber scheint der Leidensdruck (immer) noch nicht gross genug zu sein, um nachhaltige Veränderungen zu initiieren. Aller Unkenrufe zum Trotz.
Der Leidensdruck ist immer noch nicht gross genug, um Veränderungen zu initiieren.
Weder im Management, in HR noch in der Linie. (Ich weiss, es gibt sie, die Ausnahmen. Aber es sind zu wenige). Lieber wird die kurzfristige Lösung gesucht. Der Personalvermittler stopft die Lücken natürlich gerne. Geld dafür scheint’s nach wie vor massig zu geben. So einfach ist das.
Gespannt war ich auf die Frage, was denn Marketing von HR lernen könne. Und es kamen gute Rückmeldungen. In der Vorbereitung zum Track sind mir – ganz ehrlich – sehr wenige Inhalte eingefallen. Ausser den üblichen Stereotypen von wegen „Menschen verstehen“ und ähnlichem. Was wurde also erwähnt?
- Authentizität: Marketing ist sich gewohnt, zu übertreiben, zu polieren, zu kaschieren, um „verkaufen“ zu können. Genau das funktioniert aber je länger desto weniger. Glaubwürdige Botschaften beeinflussen Kaufentscheide mehr denn je. In der Produktwerbung wie im Recruiting.
- Tiefgang: Marketeers: Schaut auch mal unter die Oberfläche und demonstriert echte Empathie. Oberflächliches Marketing-Gegockel ist schal und mitunter peinlich.
- Nachhaltigkeit: Nicht nur der nächste Abverkaufs-Chart zählt oder die persönliche Zielvereinbarung. Lernt euer Handeln ganzheitlich zu verstehen und agiert dementsprechend.
Und dann war die Stunde auch schon um…
Abschliessend ein Lernvideo zum Thema „Virales Marketing“. Ein Must-See aus der Marketing-Community. Wer hier nicht lacht, hat die Marketingterminologie nicht drauf. Und weiss, wo er ansetzen könnte…
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Ein interessanter Beitrag. Marketer machen bei weitem nicht alles richtig, man denke nur an die substanzlosen Werbetexte, TV-Spots, die keine Botschaft und Zielgrupppen erkennen lassen und Anglizismen, mit welchen die Mehrheit der Zielgruppen nichts anzufangen versteht.
Was HR-Leuten aber hilft, sind bewährte Instrumente, Mechanismen und Grundsätze wie Positionierung, Unique Selling Proposition (Alleinstellungsmerkmal, z.B. als Arbeitgeber), Content Marketing (ein Trend, bei dem sich das Marketing sozusagen neu erfindet und endlich glaubwürdiger wird oder werden will und vor allem im Recruiting für das HR interessant ist), Eymployer Branding und Crossmedia (z.B. Nutzung und Abstimmung mehrer Recruiting-Kanäle) sind einige wenige aber wichtige Beispiele. Der folgende Beitrag gibt Mehrinformatinen in diese Richtung: http://www.hrpraxis.ch/2014/03/was-das-hr-vom-marketing-ubernehmen.html