Meine denkwürdigsten Vorstellungsgespräche
Zeit, ein Tabu zu brechen! Nicht erfolgreiche Vorstellungsgespräche muss es – der quantitativen Logik nach – mehr geben als erfolgreiche. Trotzdem erfährt man reichlich wenig über sie, wenn man nicht per Zufall jemanden aus HR persönlich kennt. Seitdem ich Teil der HR-Welt bin, sehe ich diesen ominösen Termin mit neuen Augen. Was war ich früher aufgeregt und angespannt. Schlafstörungen und Adrenalin. Zu viel oder zu wenig vorbereitet. Was ziehe ich an? Den Weg zum Gespräch vorbereitend abgefahren, um garantiert pünktlich zu sein. Gar ein Einzel-Assessment mit Schauspielern zur Durchführung eines Rollenspiels habe ich erlebt. Fangfragen, Fachfragen. Je erfahrener ich wurde, desto mehr mochte ich die Interviews. Schliesslich kamen mir meine rhetorischen Fähigkeiten, etwas Grips und Empathie entgegen (klassisch marketingmässige Selbstüberschätzung – ich weiss…). Wozu also die Aufregung? Die meisten Interviews liefen sowieso ziemlich stereotyp ab. Und entscheiden tut ja eh die Linie, gell?… Aber ich bereue nichts. Kein einziges Gespräch. Weil später führte ich dann viele selber, als Linienverantwortlicher oder Geschäftsführer. Und heute habe ich mich schlichtweg selber angestellt. Ohne Vorstellungsgespräch… die Probezeit habe ich bestanden 🙂 .
Zeit für einen Rückblick. Ich bin sicher, dass hier ein Hort spannender, enttäuschender, skurriler, sicher aber erinnerungswürdiger Geschichten liegt. Ich mache den Anfang und oute mich. Das waren meine Top 3 Vorstellungsgespräche:
3. Platz: Microsoft, irgendwas mit Channelmarketing, irgendwann um die Jahrtausendwende
An viel erinnern kann ich mich nicht mehr. Aber eines vergesse ich nie: ich wurde noch nie fachlich so gerädert. Gerade diplomiert mit dem „Marketingplaner“ (wie auch immer der heute heissen mag), fanden die Interviewenden gefallen daran, mich theoretisch auseinander zu nehmen. „Wie würden Sie denn das Push/Pull –Verhältnis steuern?“ und ähnliches. „Improvisieren Sie mir doch bitte kurz ein Marketingkonzept“ und dergleichen. Ich war irgendwie nicht darauf vorbereitet – trotz schulischer (und erster praktischer) Kenntnisse. Ich musste echt fachlich denken und konnte nicht einfach nur labern wie sonst üblich. Uff…. ich war durchschaut. Das Gespräch war kein Desaster, aber nicht gut. Ich habe den Job verdientermassen nicht erhalten. Vielleicht ja auch zum Glück…
Faustregel: gehe NIE am Abend vor einem Bewerbungsgespräch mit einem guten Freund seinen letzten Arbeitstag feiern. Zumindest, wenn man mit dem Lebensmotto „go with the flow“ ganz gut klar kommt. Übrigens: besagter Freund hat die Illustration zu diesem Beitrag geleistet – herzlichen Dank dafür! Der Abend war prächtig und unterhaltsam. Halt einer der Sorte, die man nicht künstlich unterbrechen darf… Das Interview war bereits morgens um 8 Uhr angesetzt. Und ich war pünktlich wie immer. Das Alkaselzer hat auch teilgewirkt… Die knapp 4 Stunden Schlaf sollten auch reichen. Ich war ja noch jung. Der Interviewende hat aber nicht schlecht gestaunt, als ich das offerierte Mineralwasser, immerhin eine 0.5l Pet Flasche, in einem Zug wegtrank. Der Nachbrand war immens… das Gespräch war dann eigentlich ganz ok. Und ich hoffe heute noch, dass die Pfefferminzpastillen gewirkt haben. Obwohl: deren Wirkung ist umstritten, weil verdächtig. Ganz so, wie wenn dich ein Strassenpolizist anhält, nachdem du Alkohol getrunken hast und allzufrischen Kaugummiduft verbreitest. Das ist fast verdächtiger als ein kleiner Biergeruch… Ah ja: das Interview habe ich überstanden, den einen oder anderen Schweissausbruch fast verheimlichen können. Der Job wurde in der Folge aber umgestaltet und die geplante Plattform nie lanciert…
Meine Looks stimmten, so sagte mir zumindest die sympathische Lady des Managements danach (kann man auch hier selber prüfen…). Und ich kam bis zu den letzten drei. Ein ganzes Wochenende proben und Chemie checken. Ja, ich war aufgeregt. Erst recht, als ich die Gitarre auf Anweisung des Leadgitarristen bis zu den Knien runterschnallen musste und mir dabei fast eine Sehnenscheidenentzündung holte. Bei Slash sieht das cool aus, bei mir war’s bloss doof. Ich war eher der filigrane Edelrocker. Gebrettert hat’s trotzdem, und ich werde nie vergessen, welch Adrenalin mich im Übungsraum durchfloss als Steve Lee (R.I.P.) sang. Und als „Krönung“ obendrauf gab es dann ein offizielles Frühstücksinterview mit the one and only Chris «Hunde wollt ihr ewig rocken» von Rohr himself. Ich habe den Job schlussendlich nicht gekriegt und bin dafür dann in der Musikindustrie gelandet. Eher hinter als auf der Bühne. Da durfte ich dann Joe Satriani und Eddie van Halen kennen lernen (ja ja… Namedropping… es gäbe noch viele mehr…). Auch ganz ok… und ja: mein Musikgeschmack hat sich durchaus etwas weiterentwickelt 😉 .
Es wird kaum ein Zufall sein, dass die denkwürdigsten Gespräche, die nicht erfolgreichen waren… und immer noch muss ich schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke.
Tipps, wie man sich richtig auf Interviews vorbereitet findet man übrigens hier: Monster.ch – Jobs.ch – Der Bewerbungsratgeber … und – gemäss google – auf ca. 710’000 weiteren deutschsprachigen Quellen…
Mein persönlicher Tipp: die wichtigsten Karriereregeln lesen, vergessen und sich selber sein!
Was sind eure spannendsten Geschichten? Ich freue mich über weitere Erlebnisse 😉 …